Der Weltklimarat (IPCC) hatte im Oktober diesen Jahres seinen Sonderbericht veröffentlicht; demnach sei es noch möglich, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. 1,5 Grad heißt immer noch, dass 2/3 der Korallenriffe verschwinden, die Arktis komplett eisfreie Sommer erleben und der Meeresspiegel ansteigen wird. Aber im Vergleich zu 2 Grad Erwärmung bedeutet 1,5 Grad, „dass zehn Millionen Menschen weniger den damit verbundenen Risiken ausgesetzt wären“. Hierfür seien „beispiellose Veränderungen“ nötig bei der Stromerzeugung, der Fortbewegung, der Landwirtschaft, Industrieprozessen und der städtischen Infrastruktur. 12 Jahren haben wir, um die Emissionen 45% unterhalb des Wertes von 2010 zu drücken – im Schnitt dieser 12 Jahre. Bis 2050 sollten wir bei 0-Emissionen angekommen sein. [1]
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Ganz persönlich kann man viel tun, zum Beispiel aufhören Fleisch und ‚tierische Produkte‘ zu konsumieren – oder das zumindest weniger tun. Weniger Heizen, besser Dämmen, Produkte reparieren und weiter nutzen, tauschen und gebraucht kaufen, lokal handeln, kein Auto fahren, ihr kennt das. Klingt alles gut und ist auch wichtig, aber die Vorstellung, der Markt, welcher uns in diese Misere gebracht hat, könnte das alles auch wieder richten, halten ich für gefährlichen Unsinn. Wir können die Welt nicht gesund-konsumieren. Laut dem Carbon Majors Report des CDP’s von 2017, kommen 71% der industriellen Treibhausgase von nur rund 100 Firmen. Warum deren Profit über unserem Recht einen lebensfähigen Planeten zu hinterlassen, zurückstehen soll, verstehe ich nicht. Wir müssen also auch und gerade jetzt politisch sein, wie es unter anderem der Spiegel fordert.[2]
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Obwohl es kein Recht darauf gibt, die Welt zu zerstören, bewegen wir uns gerade vielfach in die falsche Richtung, stoßen mehr Gase aus, essen mehr Fleisch, bleiben selbst in unseren Forderungen hinter dem notwendigsten zurück.[3] Der Polizeieinsatz zur Räumung des Hambi (#hambibleibt) oder der drohende Wegfall des Kompetenzzentrums Nachhaltige Entwicklung an unserer Uni zeigen, dass wir – gesellschaftlich? legislativ? – wohl kritische und grüne Stimmen lieber mundtot machen wollen. Auch das Verhalten der Partei Die Grünen, sobald sie in Regierungsverantwortung kommen, lässt sich – teilweise berechtigt, teilweise unberechtigt – kritisieren. Klar ist: Wenn wir auf diesem Planeten leben wollen, müssen wir massive und einschneidende Veränderungen auf uns nehmen. Und wir müssen damit jetzt beginnen.
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Als ob diese nahende Apokalypse nicht schon schlimm genug wäre, die wenige bis dahin verbleibende Zeit wird auch noch ziemlich nervig. Sieben kleine „Klimawandel“, welche wir neben dem Großen kritisieren müssen, und was uns trotzdem Hoffnung macht:
1. Klimawandel an der Uni
Exzellenzwahn und Mangelfinanzierung verstärken sich weiter. Der Staat drängt die Universitäten zur Annahme von Drittmitteln. Wo auch die Grundfinanzierung und die Berufung von Professuren davon abhängig gemacht wird, wie viel Geld eine Forscherin ‚einwirbt‘, wird aus Wissenschaftsfreiheit die Freiheit sich selbst möglichst gewinnbringend zu verkaufen.
Dagegen regt sich mit der Besetzung des #Kupferbaus Widerstand. Zwar haben wir in manchen Punkten andere Meinungen als die (ehemaligen) Besetzer*innen, in mindestens diesem Punkt haben sie aber Recht: Ohne demokratische Kontrolle und im Hinterzimmer kann es nicht weiter gehen. Und: Wir brauchen eine ausfinanzierte Uni und eine freie Forschung die sich nicht nur – direkt oder indirekt – nach wirtschaftlichen Interessen richten muss.
2. Klimawandel unter den Studierenden
Ausgerechnet die Grüne Landesregierung führte 2017 wieder Studiengebühren ein. Vorerst für EU-Ausländer und Zweitstudium, wohl, weil von diesen Gruppen wenig Widerstand erwartet wurde. Selbst die Universitäten stören sich inzwischen am Gebührenunsinn. Während Hohenheim schon vor der Einführung offen kritisierte, traut sich der Kanzler unserer Uni dieses Jahr immerhin zu Kritik während einer StuRa-Sitzung. [5] Anders als der Kanzler sind wir aber grundsätzlich gegen Studiengebühren, weil sie Menschen ohne ausreichendes Einkommen das Studium zusätzlich erschweren und Lasten, welche die Gesellschaft schultern kann, auf ihre Schwächeren (Schüler, Studierende, Auszubildende) abgibt.
Die FSVV organisierte – unter anderem um für freie Bildung zu werben – dieses Jahr eine 24-Stunden-Vorlesung. [6] Die politischen Forderungen blieben allerdings – leider – fast unsichtbar. Das muss – und kann – besser werden.
3. Klimawandel in der Hochschulpolitik
Statt Vertrauen und Mitbestimmung setzt die Grüne Landesregierung auf das Ende des (allgemein)politischen Mandat. Durften sich Studierendenschaften zuvor wenigstens noch da äußern, wo sie betroffen sind – etwa zu Wohnraum – ist mit der Gesetzesänderung wieder ein großes Fragezeichen. In Tübingen etwa behauptet die Rechtsaufsicht, die Bitte, auf Uniformen und Couleurbänder zu verzichten, sei ein Rechtsverstoß, so als könnten Verbindungsstudent*innen ohne diese das Haus nicht verlassen. Warum eine universitätsexterne Hierarchisierung der Studierenden zulässig ist, obwohl wir uns explizit gegen derartige Benachteiligungen einsetzen sollen, konnten wir bisher noch nicht herausfinden.
Generell verlagert das Ende des (allgemein)politischen Mandats die Meinungsbildung und -äußerung heraus aus den demokratisch legitimierten Studierendenparlamenten hinein in unregulierte Hochschulgruppen und U-Modelle. Da in Tübingen ohnehin Politisches i.d.R. durch Gruppen, nicht durch den StuRa, geäußert wird und der StuRa bestenfalls kooperiert, ändert sich für uns – abgesehen von den zusätzlichen Repressionsmöglichkeiten des Rektorats – wenig. Das könnte Hoffnung machen, wäre da nicht…
4. Klimawandel in den Studierendenparlamenten
Während in Göttingen ein V-Mann enttart wird, welchen der Verfassungsschutz in den Hochschulgremien und (linken) Gruppen gebracht hat (deren Meinung nach ist Hochschuldemokratie wohl verfassungsfeindlich?) [7] und in NRW rechte Burschenschaftler eine Kampagne für den Ausstieg von „Linksextremen“ (und) Klimaschützer*innen [8], beschließt ausgerechnet der StuRa Tübingen, zukünftig Studierende auf deren Gesinnung zu prüfen, damit keine „extremistische Gruppen“ gefördert oder mit denen zusammen gearbeitet wird. Wie diese Extremismusklausel umgesetzt werden soll? Unklar. Einzelfallprüfung. Die Antragsteller*innen beziehen ihre Extremismuseinordnung jedenfalls ausgerechnet von den sogenannten „Verfassungschützern“, welche durch V-Leute Terroristen mitfinanzierten [9] und lieber Wohnprojekte als Terroristen überwachen. [10]
5. Klimawandel in den Behörden
Die taz deckte dieses Jahr ein Netzwerk von Rechtsextremen beim Militär[11] auf, zudem fallen immer wieder – zuletzt in Frankfurt–Polizist*innen durch rechtsextreme … Tendenzen [12] auf. Zusammen mit der Vielzahl an neuen Möglichkeiten, welche die verschiedenen Polizeiaufgabengesetze bieten, kann das schon Angst machen. Deshalb Vertrauen in den Rechtsstaat zu verlieren, halten wir für falsch. Als Demokrat*innen müssen wir aber – auch und gerade, wenn es um Exekutive und Judikative geht – aufmerksam sein. Willkür und Repression sind eine zu oft existente Ausnahme.
Gegen all dies äußert sich Widerstand und Solidarität. Etwa durch Rechtshilfeorganisationen wie die Rote Hilfe, Recherchekollektive wie Kein Schlussstrich zum Versagen der Behörden zum NSU [13] und antifaschistische Bürger*innen, welche durch eigene Recherche öffentlicher Quellen die Arbeit ehrenamtlich machen, welche bspw. der Verfassungsschutz offenbar nicht tut.
6. Klimawandel in den Häusern
Wohnungsnot und Verdrängung sind ein wachsendes Problem auch hier. Wohnungen werden so aufgeteilt, dass einzelne Zimmer an Studierende vergeben werden können – mit entsprechend steigenden Mieten – und Familien so aus der Stadt vertrieben. Gruppen wie das Wohnraumbündnis Tübingen haben sich dafür eingesetzt, dass das Thema auf der Tagesordnung bleibt. Auch 2018 haben symbolische Besetzungen wie Ob der Viehweidle 21 [14] oder das Hotel Hospitz [15] dafür gesorgt, dass der bestehende teilweise jahrelange Leerstand in Tübingen und teilweise diskutierbare Vergabe an Träger*innen bekannt wird. Man kann zu Besetzungen unterschiedlicher Meinung sein – auch innerhalb der GHG gibt es dazu ein breites Feld unterschiedlicher Ansichten –, aber es bleibt eine Möglichkeit, das Thema ins Gedächtnis zu rufen.
7. Klimawandel Zuhause, in den Parlamenten und auf der Straße
Mit AfD (Deutschland), Sverigedemokraterna (Schweden), FPÖ (Österreich), Jobbik (Ungarn), PiS (Polen) und zahlreichen mehr formieren sich rechtskonservative, rechtspopulistische, rechte und rechtsextreme Parteien überall in Europa und nehmen teilweise Platz in den Regierungen. Sie sorgen dort für Einschränkung der Rechte von LGBTI*, Frauen* und Minoritäten. Wo sie nicht Teil der Regierung sind, treiben sie regierende Parteien vor sich her und sorgen für eine Verschiebung des Sagbaren. Das Erstarken der Rechten bedroht durch deren Handeln direkt und indirekt Menschenleben. Die Mitte, auch in Deutschland, ignoriert diese Bedrohung und tanzt Cha-cha-cha nach rechts.
Massendemonstrationen gegen Rechts, die Arbeit von Antifaschist*innen (auch hierzu kann man unterschiedlicher Meinung sein) und zivilgesellschaftliche Organisationen und Gruppen helfen, nicht nur im Rechtsruck zu überleben, sondern dieser auch zurück zu drängen.
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Neben dieser politischen Kategorisierung existiert physische und psychische Gewalt in vielen Beziehungen und Zusammenhängen – auch in „grünen“,„linken“ oder„emanzipatorischen“. Das frustriert uns am meisten. Wenn Menschen, die wir lieben, dies ausnutzen oder Gewalt ausüben, dann brauchen wir einander, um dies zu überstehen. Die #metoo-Debatte frustriert, weil so viel da ist, was wir eigentlich gesehen haben müssten, aber sie macht auch Hoffnung, weil wir gemeinsam handeln können.
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Die Unmenge an schlechten Nachrichten kann frustrieren – und ja, ich bin das auch manchmal -, aber wenn wir uns umschauen, können wir auch Hoffnung ziehen. Aus den Menschen, die sich (dem) Klimawandeln entgegen stellen. Wir sind #hoffnungsvoll_frustriert, wenn wir die Menschen sehen, die sich Tag für Tag für eine bessere Welt für alle einsetzen. Danke dafür, dass Ihr euch die Straßen und Gärten und Wiesen nicht nehmen lasst. Auf unterschiedlichen Wegen mit unterschiedlichen Mitteln und oft unterschiedlichen Meinungen können wir auf einen anderen Klimawandel hinarbeiten. Nächstenliebe statt sozialer Kälte, das Brennen für gute Forschung und gute Lehre, statt ein paar geschenkte Werbe-Streichhölzer im Elfenbein-Leuchtturm, Häuser für die Menschen statt nur für Profite. Wir können die Veränderung sein, die wir in der Welt sehen wollen. Wir können politisch sein. Wir können das Ziel 1,5 Grad noch erreichen, wenn wir es wollen. Packen wir es an.
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Danke an Gruppen wie die Week of Links, die Menschenrechtswoche oder unendlich viele andere studentische Hochschulgruppen, welche nicht nur die Uni Tübingen besser machen wollen, sondern – so ein bisschen zumindest – die ganze Welt. Dafür wollen wir – gemeinsam und solidarisch – eintreten.
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Gegen Ängste. Gegen Hass.
Für Solidarität und eine Zukunft für alle.
Auf ein grünes 2019!