Im Dezember 2020 haben wir anlässlich der Uniwahl Meinungen unserer Aktiven* zu verschiedenen Begriffen veröffentlicht, die beschreiben sollen, welche Konkrete Utopie wir an unserer Universität umsetzen wollen. Während die Begriffe in einer Sitzung abgestimmt wurden, sind die Texte selbst kollektiv entstanden. Sie geben daher nur #Meinung wieder, keine formal beschlossene Positionierung als Gruppe.
Unsere Uni trägt Verantwortung für eine gerechtere Welt
Universitäten stehen nicht im leeren Raum. Sie sind Teil einer Stadt, Teil der Gesellschaft, Teil eines Kontinents, Teil einer Welt. Zu einer lebendigen Uni gehört es, dass sie mit Innen und Außen interagiert, sich auseinandersetzt, Raum schafft, arbeitet, streitet. Die Universität ist Akteur*in und ihr Handeln hat (Aus)Wirkung. Umso schlimmer ist es, wenn sich angesichts von Wissenschaftsleugnung, Menschenfeindlichkeit und Neokolonialismus Universitäten bundesweit hinter dem Recht auf Meinungsfreiheit ihrer Professor*innen oder neoliberalen Kürzungsphantasien (Studiengebühren für Internationales) verstecken. Studierende, die sich gegen Professor*innen und deren Postionen äußerten, erhielten dagegen teilweise Morddrohungen. Wer sich gegen die unternehmerische Hochschule stellt, kann dank Ordnungsrecht bald exmatrikuliert werden.
Es gibt keine Wissenschaft ohne Verantwortung. Eine demokratische Debatte unter den an der Wissenschaft Beteiligten – dazu zählen auch die Studierenden! –, kann und sollte zerstörerischen Folgen von Wissenschaft Einhalt gebieten. Wissenschaft muss offen, solidarisch, nachhaltig und internationalistisch sein. Zivilklauseln, Verzicht auf Tierversuche, ebenso wie Vermeidung von Flugreisen sind eine gemeinsame demokratische Entscheidung der Universitätsangehörigen, ihr Handeln (nur) für eine gerechtere Welt einzusetzen.
Auch die Stimmen von Marginalisierten müssen an der Universitäten gehört werden. Wo die Meinungsfreiheit in Konflikt mit anderen Rechten gerät braucht es Aushandlungsprozesse. Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit bedeutet keine Widerspruchsfreiheit. Sie finden ihre Grenzen spätestens da, wo die Würde und die Freiheit anderer – insbesondere auch marginalisierter Gruppen – betroffen ist.
Am Fuße der unendlichen Aufgaben, die vor uns stehen – Ungleichheit, Klimakrise, Artensterben, Biodiversität – darf sich die Uni nicht aus ihrer Verantwortung stehlen.
Unsere gemeinsame Stimme ist lautstark & unbequem
Mit den Worten »Unmündigkeit ist trotz größter zivilisatorischer und kultureller Entfaltung nach wie vor geblieben. Unsere Aufgabe ist es, unaufhaltsam aufzuklären, das Bewußtsein des Menschen wachzurütteln. Andere Waffen haben wir nicht.« zitiert die Organisationssatzung, die sich die Studierendenschaft 2013 gegeben hat, die Berufsverbot- und §218-Gegnerin, Architektin, Anti-Stalinistin und Friedensaktivistin Karola Bloch.
Dieses Aufklären und Wachrütteln ist unbequem.
Es ist unbequem, weil es anstrengend ist, man dafür rausgehen muss, auf ein Fahrrad steigen und zur Uni fahren, Plakate malen, Sharepics erstellen, für Ideen werben, diese besprechen und demokratisch und mit möglichst allen abstimmen muss (Basisdemokratie <3) und am Ende auch noch umsetzen. Es gibt niemand anderen, keine Exekutive, keinen Verwaltungsapperat, die das für uns alle übernehmen kann – oder sollte.
Wir sehen unseren Part – und unseren fair share – an Arbeit für eine bessere Welt in der Hochschulpolitik. Wir tragen eure Stimme in die Gremien. Auch wenn uns die „Debatte“ dort mehr als einmal frustriert hat. Für Hochschulpoitik sind wir Expert*innen und helfen weiter, wenn es Fragen gibt. Unterstützen euch, versuchen mit euch Ideen umzusetzen, für eure Stimme zu kämpfen. Nicht, dass ihr sie uns gebt, sondern, dass wir sie gemeinsam lauter machen.
Dieses Aufklären und Wachrütteln ist aber auch unbequem fürs Rektorat und das Land. Es gibt keine „Rädelsführer*innen“, die wahlweise unter Druck gesetzt oder bestochen werden könnten, sondern eine gemeinsame Studierendenvertretung, die so dezentral und vielfältig ist, dass beim Versuch des Rektors ein widerständiges ‚Unkraut‘ auszureißen, an anderer Stelle drei Neue wachsen. Eine laute, solidarische und vielfältige Stimme kann man nicht zum erstummen bringen. Auch kein*e Rektor*in oder Minister*in.
Letztlich ist dieses Aufklären und Wachrütteln aber auch unangenehm, für jene, die aus der Unmündigkeit aussteigen. Wie viele Sexismen haben wir in unserem Denken? Wie viele Hierarchien akzeptiert? Welche Ungerechtigkeiten lassen wir geschehen und welche Kämpfe aus? Wo verhindern Wissenshierarchien die Zusammenarbeit? Studierendenvertretung kann eine konkrete Utopie sein.
Gartenarbeit und Fahrradfahren und Vokabeln lernen und Demokratie und die 8-Uhr-Morgens-Vorlesung sind alle unbequem. Manchmal machen wir Fehler – und lernen daraus. Manches könnte schneller gehen. Klar. Aber daran werden wir stärker, werden wir mündiger, werden wir sicherer auf unseren eigenen Beinen. Unsere Stimme wird lauter.
Gemeinsame Studierendenvertretung ist unbequem – aber sie ist die Arbeit auch wert. Packen wir es gemeinsam an. ?✊