Ein Ministerpräsident sollte Verbindungen nicht staatlichen Institutionen vorziehen.

Am Montag ehrte die AV Guestfalia ihr Mitglied Eugen Bolz, geboren in Rottenburg,  Staatspräsident Württembergs und von den NS-Machthaber ermordet.

Als Redner auf dem Verbindungshaus erschien Ministerpräsident Winfried Kretschmann – und mit ihm eine ganze Reihe lokaler Prominenz: Regierungspräsident Klaus Tappeser, SPD-Landtagsabgeordnete Doro Kliche-Behnke, Ex-Rektor Bernd Engler und – besonders kurios – Rottenburgs OB Stephan Neher. Neher hatte zeitgleich in Rottenburg zu einer städtischen Veranstaltung in Erinnerung an Eugen Bolz eingeladen – und ging dann lieber ins Verbindungshaus. Zur Veranstaltung von Stadt Rottenburg und Landeszentrale für politische Bildung ging dagegen nur Grünen-Landtagsabgeordneter Daniel Lede-Abal – eine löbliche Ausnahme.

Die AV Guestfalia ist – gemessen am Verhalten anderer Verbindungen – zwar eher harmlos. Man verzichtet ja aufs gegenseitige Zerhacken des Gesichts bei der „Mensur“, antisemitische Übergriffe wie bei der Heidelberger Burschenschaft Normannia sind zumindest keine bekannt und auf der langen Liste bekannter Mitglieder stehen mehr erzkonservative Ministerpräsidenten als AfD-Abgeordnete (obwohl sich beides findet) –  jedoch keine Frauen. Der Besuch des Landesvaters markiert dennoch eine höhere Akzeptanz für das Verbindungswesen allgemein –  wovon auch Bünde rechtsaußen profitieren. 

Was sagt es über unser Land und ihre Vertreter*innen aus, wenn sie sich lieber in einem privaten Hinterzimmer treffen um Elite zu spielen, als bei einer von staatlichen Institutionen getragenen und auch für uns Bürger öffentlichen Veranstaltung Eugen Bolz zu erinnern? 

Bereits 2006 hatte Kretschmann eine Tübinger Verbindung – damals die noch in der DB organisierte Burschenschaft Arminia – als Referent besucht. Wie damals begrüßen wir durchaus einen kritischen Dialog mit Koperierten. Wer aber Veranstaltungen in Verbindungshäusern als Referent besucht, der muss befürchten, als demokratisches Feigenblatt benutzt zu werden. 

Hinweis: Der vorliegende Text wurde zwischen dem 20. und 25. Januar von verschiedenen Aktiven der GHG verfasst und diskutiert, allerdings erst bei unserem Treffen vom 8. Februar besprochen. Der Text wurde am 10. Februar 2023 rückdatiert auf unserer Webseite veröffentlicht.

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