2018, 2019 und 2020 hatten wir einen Jahresrückblick… Und 2021? Nun ja.
Januar, Februar, März
Ins Jahr starteten wir mit zwei großen Themen: Klimakrise intersektional denken – dazu im nächsten Quartal ein paar Worte – und Kritik an der eigenen Szene. Dieses Thema hatten wir bereits im Vorjahr mit einem Vortrag von Lucius Teidelbaum begonnen, der einen Überblick über reaktionäre und rechte Tendenzen in den Umwelt- und Alternativbewegungen gab. Peter Bierl vertiefte das Thema durch einen genaueren Blick auf Anthroposophie und deren sehr unterschiedliche Auslebung. Solche Ideen haben in Baden-Württemberg starken Rückhalt, sind aber in ihrer Ausprägung sehr unterschiedlich. Rückhalt in manchen dieser Gruppen wurde auch als Erklärungsansatz verwendet, wieso hier sogenannte „Querdenker“[1] verhältnismäßig stark sind.
Leider etwas zu kurz kam der Rückblick auf eine der prägendsten Zeiten der Westdeutschen Geschichte. Ab 1971 wurden Personen, die in legalen (!) Gruppen aktiv waren oder vom Verfassungsschutz der Teilnahme bezichtigt wurden, von Arbeit in staatlichen Stellen ausgeschlossen. Dies bedeutete ein Defakto-Berufsverbot insbesondere für angehende Lehrer*innen. Die solidarische Arbeit gegen den Radikalenerlass und dessen Folgen haben die BRD geprägt (vgl. TAZ). Hierzu gab es einen kleinen Vortrag, organisiert vom AK Politische Bildung.
Auch in das erste Quartal fällt die Besetzung der Münze 13 durch deren Bewohner*innen. Aufgrund der komplexen Lage zwischen StuWe e.V. und StuWe AdöR wird das Haus unzureichend instand gehalten. Die symbolische Besetzung hat im Verlauf des Jahres zu mehreren Gesprächen der Akteur*innen geführt. Vielleicht lässt sich die Münzgasse 13, die 1976 durch eine Besetzung als studentischer Wohnraum geschaffen wurde, mit Hilfe des Mietshäusersyndikats dauerhaft als kollektiver, studentisch geprägter Raum erhalten.
Das Quartal endete mit der Studentischen Vollversammlung, die erstmals komplett digital stattfand. Alle Beschlüsse der StudVV, unter anderem zum sogenannten „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“, findet ihr hier.
April, Mai, Juni
Die Klimabewegung zeigte sich immer stärker intersektional denkend. Die Klimakrise ist keine von anderen Fragen unabhängige, sondern mit anderen Krisen verwoben. Eine gute Einführung dazu bietet die Anfang 2021 erschienene Broschüre „Überall Klima, nirgendwo Gerechtigkeit“, die von einer Gruppe von Klimaaktivist*innen in Zusammenarbeit mit größtenteils lokalen Gruppen verfasst wurde. Als GHG wollten wir, dass die Broschüre auch diskutiert werden kann, und organisierten zusammen mit den Macher*innen eine Reihe von Lesungen mit Diskussion, die durchweg gut angenommen wurden.
Die StudVV hatte beschlossen, dass neben dem bereits eingeführten Pressereferat Referate für Studium und Lehre sowie für sozial-ökologische Fragestellungen eingeführt werden sollen. Seit entsprechenden Debatten durch die StudVV wird ehrenamtliche Arbeit für die Studierendenvertretung häufiger bezahlt. 150 Euro pro Referent*in sollen Raum machen, damit die in diesen Bereichen notwendige Arbeit auch stattfinden kann. Mit einer neuen Geschäftsordnung legten wir außerdem fest, dass diese Referate an Arbeitskreise gebunden sind und von diesen beurlaubt werden können. Somit bleiben die Studierenden trotz neu gewählter Ämter weiter entscheidend.
Finanzielle Fragen gab es auch bei der bundesweiten Kampagne zum 50. Geburtstag des BAföG. Der fzs wies zurecht darauf hin, dass die Empfänger*innen-Quote auf einem sehr niedrigen Stand ist und ein Großteil der Studierenden neben ihrem Vollzeitstudium (!) jobben müssen. Die unzureichende Unterstützung während der Pandemie hatten wir schon im letzten Jahresrückblick angesprochen.
Ein Unwetter im Juni begrub nicht nur die Tübinger Innenstadt unter einer zentimeterhohen Decke aus Hagel, sondern überschwemmte auch das Impfzentrum in der Paul-Horn-Arena. Die Uni half kurzfristig mit einem improvisierten Impfzentrum in der Alten Archäologie aus.
Das Quartal endete mit den Uniwahlen, bei denen wir erneut zwei Sitze im Senat erringen konnten und im StuRa zusammen mit der FSVV eine Mehrheit stellen. Wie in den Vorjahren haben wir den Wahlkampf genutzt, um euch zu motivieren, selbst aktiv zu werden. Unsere selbstgemalten Plakate, mit denen wir euch aktiv zur Begrünung der Uni aufriefen, findet ihr auf Instagram. Leider war die Wahlbeteiligung erneut gering, was auch am Bewusstsein der Studierenden für den während der Corona-Pandemie eingeschränkten Handlungsspielraum der Studierendenschaft gelegen haben dürfte.
Juli, August, September
Mit der Lesung „Drinnen vor der Tür“ mit studentischen Autor*innen in der Buchhandlung Quichotte versuchten wir dem Corona-Frust und -Vereinsamung etwas Kultur entgegen zu setzen. Die Aufzeichnung des Livestreams ist mittlerweile auf Youtube verfügbar, hier geht’s zum Nachschauen. Mit einer von allen StuRa-Listen unterstützten Änderung der Förderrichtlinien wollen wir es leichter möglich machen, nicht-universitäre Räume studentisch nutzbar zu machen.
Bei einem Bürger*innen-Entscheid über den Bau der Innenstadtstrecke der Regio-Stadt-Bahn verloren leider die Befürworter*innen – und das Klima. Die wesentlich durch Tübingen vorangetriebene Vernetzung der Region wird also voraussichtlich nicht in die Tübinger Innenstadt fortgesetzt werden.
Bei der Fridays-for-Future-Demo im September nahm erstmals ein explizit Antikapitalistischer Block teil, der inzwischen als „TO AKT“ (Tübinger Offenes Antikapitalistisches Klima-Treffen) eine intersektionale, internationalistische und vor allem antikapitalistische Perspektive in die Vielfalt der Tübinger Umwelt- und Klimagruppen bringt. Zuvor hatte sich bereits bei der 1.Mai-Demo des DGB ein explizit Antifaschistischer Block organisiert. Wir empfanden das als gute Möglichkeit, ohne dass unterschiedliche Sichtweisen und radikale Inhalte ausgeblendet oder in der Masse versteckt werden, solidarisch zusammen zu arbeiten. Wir sind sehr gespannt, was uns im neuen Jahr von der Gruppe noch erwartet und haben Lust, beim ein oder anderen Projekt zusammen zu arbeiten.
Auf Antrag der GHG beschloss der Studierendenrat, Onlinewahlen in ihrer jetzigen Form abzulehnen. Sie sind nur dann mit Wahlgrundsätzen vereinbar, wenn für Hochschulwahlen geringere Ansprüche gesetzt werden, als für vergleichbare Wahlen in Gemeinden oder im Land. Unsere ganze Positionierung, die wir in großen Teilen von unseren Freund*innen der GHSG Frankfurt übernommen haben, findet ihr hier.
Oktober, November, Dezember
Das Wissenschaftsministerium unter Ministerin Bauer drängte darauf, ab Wintersemester 2021/22 wieder in Präsenz zu gehen – trotz einer absehbaren weiteren Welle. Da schon zuvor kurzfristig von Präsenz- auf Online-Veranstaltungen umgeplant wurde entschieden sich viele Studierende erst sehr kurzfristig zu einer Rückkehr nach Tübingen. Innerhalb kürzester Zeit waren die (ohnehin zu geringen) Kapazitäten beim Studierendenwerk ausgeschöpft.
In Tübingen fand ein eigener CSD statt. Die wieder stärker aktiven Feministischen, auch BIPOC-Feministischen und die wieder aktive Queere Hochschulgruppe geben uns Hoffnung, dass wieder mehr Selbstorganisierung von Betroffenen stattfindet. Wir können hier nur dazu ermutigen, dafür auch die Ressourcen der Studierendenvertretung zu nutzen, wobei wir gerne unterstützen. Auch der Arbeitskreis Gleichstellung war aktiv, u.a. mit dem bundesweiten, offenen Brief zur kostenlosen Bereitstellung von Menstruationsartikeln.
Die Organisierung von Studentischen Hilfskräften für einen eigenen Tarifvertrag – TVStud – nimmt auch in Tübingen, vor allem dank Unterstützung aus den Gewerkschaften und dem AK Soziales bzw. dessen Referentin an Fahrt auf. Ohne Hiwis keine funktionierende Uni. Wer sich über die Kampagne informieren möchte findet auf tvstud.de einige Infos.
Ansonsten ist das letzte Quartal immer von Finanziellem geprägt. Haushaltsdiskussion, Abrechnungen, in diesem Jahr auch eine komplett neue Finanz- und Haushaltsordnung, die – wenn auch bisher nur als Anfang – einen Nachhaltigkeitsvorbehalt enthält. Da wir gerade als Aktive nicht die Kapazitäten haben, das Projekt voranzutreiben, wurden die Wasserspender aus dem StuRa-Haushalt gestrichen. Dafür gibt es andere Projekte aus dem AK Soziales, die vielleicht umgesetzt werden können. Außerdem dürfte im kommenden Jahr endlich die Stelle der*des Haushaltsbeauftragte*n besetzt werden. Wenn ihr Lust habt, in die Arbeitskreise reinzuschnuppern, aber noch unsicher seid, begleiten wir euch gerne.
Im kommenden Jahr erwartet uns außerdem unter anderem: Aktionen zur Klimakrise, die Rektor*innen-Wahl, zu der sich der StuRa hier positioniert hat, die Einführung der Verpackungssteuer – die das StuWe endlich zwingt, von ihrem umweltschädlichen Verpackungsmüll Abstand zu nehmen –, eine Empfehlung der Kommission zum Universitätsnamen, die OB-Wahl, die studentischen Wahlen und vermutlich noch mehr Corona. Auch dürften rechte Strukturen dank der Querdenken-Proteste im Aufwind sein. [2] Hier müssen wir – gerade als Alternative – gegenhalten auch bei Schwurbler*innen in den eigenen Netzwerken. Außerdem planen wir noch das ein oder andere Projekt.
Wie immer Danke an alle, die uns im vergangenen Jahr begleitet haben und die, die hier nicht aufgeführt wurden. Auf ein solidarisches, gemeinsames und kämpferisches 2022!
Hinweis: Dieser Jahresrückblick wurde von mehreren Aktivis der GHG geschrieben. Er wurde jedoch bei keinem Treffen abgestimmt. Die Meinungen hier spiegeln daher nicht unbedingt die gesamte GHG wieder.
[1] „Querdenker“ bezeichnet unterschiedliche Gruppen und Personen von Pandemieleugner*innen, -verharmloser*innen und -umdeuter*innen, die oftmals organisiert über Chatgruppen mit Demonstrationen gegen die Maßnahmen der Regierung vorgingen und dabei auch Verschwörungserzählungen verbreiteten; teilweise unter Teilnahme von Rechtsextremen. Auch in Tübingen gab es zahlreiche solche Proteste. In Tübingen Rechtsaußen ist hierzu einiges dokumentiert – erfreulicherweise oft mit Gegenprotesten. Auch von Links gab es Proteste gegen unzureichende Maßnahmen, etwa von der dafür gegründeten Gruppe Wombats.
[2] Bei Tübingen Rechtsaußen gibt es i.d.R. eine gute, wenn auch immer unvollständige Übersicht über die Aktivitäten von Rechten und Reaktionären.